In Zeiten zunehmender Schnelllebigkeit, Veränderungsgeschwindigkeit, Arbeitsdichte und Anforderungen offenbaren sich mehr und mehr Auswirkungen auf die Mitarbeitergesundheit.
Psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeitstage nehmen von Jahr zu Jahr zu, Rücken- und Nackenschmerzen bleiben weiterhin hoch und Begleiterscheinungen wie Konflikte zwischen Arbeits- und Privatleben, Konzentrationsschwächen oder Motivationsverlust bis hin zum BoreOut lassen sich immer häufiger beobachten. Betriebliches Gesundheitsmanagement ist ein systemischer Ansatz, der versucht all diese gesundheitsbezogenen Themenbereiche zielgeleitet und [möglichst] evidenzbasiert entgegen zu treten. Arbeitsbedingungen werden regelmäßig reflektiert und optimiert, ebenso das Gesundheitsverhalten der Mitatbeiter*innen. Systematisch umgesetzt führt BGM zu kontinuierlichen Verbesserungen der Mitarbeiterzufriedenheit, der Motivation und gesundheitsförderlichen Effekten auf Individuums- (Verhalten) und Organisationsebene (Verhältnisse). In den vergangenen 5 bis 7 Jahren zeigte sich eine zunehmende Akzeptanz von BGM-Ansätzen in Unternehmen – mit jedoch unterschiedlichen Ergebnissen in der Zielerreichung. Während einige Unternehmen erfolgreich Fluktuation stabilisierten, Arbeitsunfähigkeitstage reduzierten und ein gesundheitsförderliches Arbeitsklima schafften, so offenbarten andere Unternehmen Schwierigkeiten bei der dauerhaften Umsetzung und Zielerreichung. In der Literatur lassen sich verschiedene „Stolpersteine“ der erfolgreichen BGM-Umsetzung finden wie mangelnde Einbindung der Beteiligten, Kommunikationsdefizite, Ziellosigkeit oder auch zu hohe Kosten bei gleichzeitig geringer Überzeugung. Ein bislang noch verhältnismäßig wenig untersuchter Aspekt stellt die Einstellung bzw. die Haltung gegenüber BGM-Maßnahmen dar. Badura und Kollegen (vgl. Fehlzeitenreport 2016) haben diesen Aspekt im Kontext der Unternehmenskultur aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und in den Fokus gerückt.
Doch was bedeutet eigentlich eine gesundheitsbezogene Einstellung oder Haltung im Kontext von BGM. Hierzu möchte ich noch einen kleinen Schritt zurückgehen, um die theoretische Fundierung aufzuzeigen. Im Modell der gesundheitsförderlichen Führung (HoL – health-oriented leadership) von Franke & Felfe (vgl. u.a. Fehlzeitenreport 2011, Hogrefe Testzentrale 2018 u.w.) wird sehr gut dargestellt, dass das gelebte Verhalten von Führungskräften mit den Überzeugungen und Werten der Führungskraft zum Thema Gesundheit übereinstimmen müssen (Kongruenz: ). Es geht eben nicht nur darum, dass Führungskräfte ein gesundheitsbewusstes Verhalten aufzeigen, sondern vor allem darum eine gesundheitsbewusste Überzeugung und Wertehaltung zu leben – oder auch Einstellung und Haltung genannt. In der Praxis werden oftmals die Begriffe „Alibi-Veranstaltung“ oder „Beschäftigungsmaßnahme“ verwendet, wenn BGM-Maßnahmen wenig Kongruenz zur Wertehaltung aufweisen. Ebenso ist zu beobachten, dass Unternehmen zwar Ressourcen für BGM bereitstellen, jedoch Führungskräfte oder die Geschäftsführung selbst nie an den Maßnahmen teilnehmen und selbst teils exzessive Überstunden kumulieren. Diese Diskrepanz bleibt dem Mitarbeiter*innen nicht verborgen, vielmehr werden sie dadurch sozialisiert (Stichwort Unternehmenskultur).
Im Rahmen des Qualitätsmanagements wurde bis zur Einführung der DIN EN ISO 9001:2015 ein ähnliches Phänomen beobachtet. Qualitätsmanagement wurde häufig einfach nur umgesetzt, weil es für Kunden in der Außendarstellung wichtig war und nicht, weil die Mitarbeiter eine hohe Überzeugung zur Systematik hatten. QM-Beauftragte fühlten sich oftmals wie Einzelkämpfer und nicht verstanden. Im Zuge der Neuauflage (DIN EN ISO 9001:2015) wurden die Mitarbeiter viel stärker mit eingebunden, um eben diese fehlende Haltung und Einbindung aufzulösen.
Im Betrieblichen Gesundheitsmanagement hat sich das Thema der Einstellung und Haltung bislang nicht direkt etabliert, sondern ergibt sich mehr zufällig in einzelnen Unternehmen. Die Bedeutung der Einstellung ist jedoch unabdingbar, wenn man BGM ernsthaft und langfristig umsetzen möchte. Vor allem unter Berücksichtigung der einzusetzenden Ressourcen ist eine positive Haltung und Einstellung aller die Grundlage jeden BGM-Ansatzes. Mit der Implementierung von BGM – und auch im weiteren Verlauf – sollten sich Geschäftsführung, Führungskräfte und Mitarbeiter über die Einstellung zum Thema Mitarbeitergesundheit offen unterhalten und ein „Commitment“ definieren. Es genügt nicht, dass die Geschäftsführung einen entsprechenden finanziellen Rahmen zur Verfügung stellt, sondern Sie muss dem Thema einen Wert beimessen. Gleiches gilt für die Mitarbeiter und die Führungskräfte. Unternehmen, die den Wert und die Haltung von Gesundheitsmaßnahmen nicht kritisch diskutieren erzeugen das klassische Allokationsproblem. Die Beteiligung an BGM-Maßnahmen ist von bereits gesunden und motivierten Mitarbeiter*innen geprägt und nicht von denjenigen, die den höchsten Bedarf haben und erreicht werden sollen.
Sollten sich in Unternehmen die Frage stellen, warum BGM-Maßnahmen nur mäßig angenommen werden oder immer nur die gleichen Zielgruppen erreichen, so gilt es die Einstellung und Haltung zum Thema Mitarbeitergesundheit zu reflektieren. Oftmals lohnt es sich eine kleine Auszeit zu nehmen und sich mit der persönlichen Wertehaltung zu beschäftigen und ein gemeinsames Commitment für weitere Gesundheitsmaßnahmen im Betrieb zu finden.
Cooler Gedanke! Danke Euch!